Der kleine Baumwollfaden

in Kaffeeklatsch

nach Hermann-Josef Coenen
 
Es war einmal ein kleiner Baumwollfaden, der hatte Angst, dass er nicht ausreichte, so wie er war. „Für ein Schiffstau bin ich zu schwach“, sagte er sich, „für einen Pullover zu kurz. Um an andere anzuknüpfen, habe ich zu viele Hemmungen. Für eine Strickerei eigne ich mich auch nicht. Dafür bin ich viele zu blass und farblos. Ja, wenn ich aus Lurex wäre, dann könnte ich eine Stola verzieren. Aber so? Es reicht nicht! Was kann ich schon? Niemand braucht mich. Niemand mag mich. Und ich mich selbst am wenigsten.“ So sprach der kleine Wollfaden zu sich, legte eine traurige Musik auf und fühlte sich sehr allein in seinem Selbstmitleid.
 
Da klopfte ein Klümpchen Wachs an seine Tür und sagte:“ Lass dich nicht so hängen, kleiner Baumwollfaden. Ich habe eine Idee: Wir beide tun uns zusammen! Für eine große Weihnachtskerze bist du als Docht zu kurz und ich habe dafür nicht genug Wachs. Aber für ein Teelicht reicht es allemal. Wir beide zusammen werden eine kleine Kerze, die wärmt und es ein bisschen heller macht. Schließlich ist es besser, nur ein kleines Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu schimpfen.“
 
Da war der kleine Baumwollfaden ganz glücklich und sagte sich: „Dann bin ich also doch zu etwas nütze.“
 
Und wer weiß, vielleicht gibt es auf der Welt noch mehr Baumwollfäden, die sich mit einem Klümpchen Wachs zusammentun.
 
(Das ist die Geschichte, die meine Schwiegermama uns zu den 15 Minuten Weihnachten dabei gepackt hatte. Ich wollte sie euch nicht vorenthalten, denn dafür ist sie einfach zu schön.
Vergesst nicht ins Lostöpfchen zu hüpfen, um eine tolle braun-blaue Isabella zu gewinnen.)

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